BionicANTs Kooperatives Verhalten nach natürlichem Vorbild
3 BionicANTs 2 Festo AG & Co. KG Mit dem Auge fürs Detail und dem Blick fürs große Ganze: Für die BionicANTs haben sich die Ingenieure von Festo nicht nur die filigrane Anatomie der natürlichen Ameise zum Vorbild genommen. Erstmals wird auch das kooperative Verhalten der Tiere mittels komplexer Regelalgorithmen in die Welt der Technik übertragen. Wie ihre natürlichen Vorbilder arbeiten die BionicANTs nach klaren Regeln zusammen. Sie kommunizieren miteinander und stimmen ihre Handlungen und Bewegungen aufeinander ab. Jede einzelne Ameise trifft ihre Entscheidungen autonom, ordnet sich dabei aber immer dem gemeinsamen Ziel unter und trägt so ihren Teil zur Lösung der anstehenden Aufgabe bei. Impulse für die Produktion der Zukunft Auf abstrahierte Art und Weise liefert dieses kooperative Verhalten interessante Ansätze für die Fabrik von morgen. Die Grund- lage künftiger Produktionssysteme sind intelligente Komponenten, die sich flexibel auf verschiedene Produktionsszenarien einstellen und so Aufträge der übergeordneten Steuerungsebene übernehmen. Die BionicANTs zeigen, wie einzelne Einheiten eigenständig auf unterschiedliche Situationen reagieren können, sich miteinander abstimmen und als vernetztes Gesamtsystem agieren. Durch vereintes Schieben und Ziehen bewegen die künstlichen Ameisen einen Gegenstand über eine abgesteckte Fläche. Dank dieser in- telligenten Arbeitsteilung können sie effizient Lasten befördern, die eine einzelne Ameise nicht bewegen könnte. Funktionsintegration auf kleinstem Raum Aber nicht nur das kooperative Verhalten der künstlichen Ameisen ist erstaunlich. Bereits ihr Fertigungsverfahren ist einzigartig. Erstmals werden lasergesinterte Bauteile nachträglich im so genannten 3D-MID-Verfahren mit sichtbaren Leiterstrukturen veredelt. Die elektrischen Schaltungen werden auf der Oberfläche der Bauteile angebracht, die dadurch konstruktive und gleichzeitig elektrische Funktionen übernehmen. So können alle technischen Komponenten im oder auf dem Körper der Ameise verbaut und exakt aufeinander abgestimmt werden. Nach Inbetriebnahme ist keine Steuerung von außen mehr erforderlich. Eine Überwachung aller Parameter per Funk und ein regulierender Eingriff sind aber jederzeit möglich. BionicANTs Hochintegrierte Einzelsysteme zur Lösung einer gemeinsamen Aufgabe Auch in Design und konstruktivem Aufbau kommen die BionicANTs ihrem natürlichen Vorbild sehr nahe. Sogar das Mundwerkzeug zum Greifen der Gegenstände ist detailgetreu nachgebildet. Für die Zangenbewegung sorgen zwei piezokeramische Biegewandler, die als Aktoren im Kiefer integriert sind. Werden die Plättchen mit Spannung belegt, verformen sie sich und geben die Bewegungsrichtung mechanisch an die Greifzangen weiter. Neuartiger Einsatz von Piezotechnologie Die Vorteile der Piezotechnologie nutzt Festo auch für die Beine der künstlichen Ameise. Piezoelemente lassen sich sehr präzise und schnell steuern. Sie arbeiten energiearm, nahezu verschleißfrei und benötigen nur wenig Bauraum. In jedem Oberschenkel sind daher drei trimorphe piezokeramische Biegewandler verbaut, die Aktor und konstruktives Bauteil zugleich sind. Durch Verformung des oben liegenden Biegewandlers hebt die Ameise das Bein an. Mit dem darunter angebrachten Paar lässt sich jedes Bein exakt nach vorne und nach hinten auslenken. Zur Vergrößerung des relativ geringen Hubs hat das Team eigens ein flexibles Scharniergelenk entwickelt, das die Schrittweite der Ameise wesentlich erweitert. Hochkomplexe Regelalgorithmen für kooperatives Verhalten Mit zwei Akkus an Bord können die Ameisen vierzig Minuten lang arbeiten, bevor sie über ihre Fühler den Kontakt zur Ladestation aufnehmen müssen. Allen Aktionen liegt ein verteiltes Regelwerk zu Grunde, das vorab über eine mathematische Modellbildung und Simulationen erarbeitet wurde und auf jeder Ameise hinterlegt ist. Die Regelungsstrategie sieht ein Multiagentensystem vor, bei dem die Teilnehmer nicht hierarchisch geordnet sind. Vielmehr beteiligen sich durch die verteilte Intelligenz alle BionicANTs gemeinsam am Lösungsprozess. Der dazu nötige Informationsaustausch zwischen den Ameisen findet über das Funkmodul im Rumpf statt. Kamerasystem und Bodensensor im Zusammenspiel Die 3D-Stereokamera im Kopf dient den Ameisen zur Erkennung des Greifobjekts und zur Selbstlokalisierung. Mit ihrer Hilfe kann sich jede Ameise anhand der Landmarken in ihrer Umgebung re- ferenzieren. Der optische Sensor am Bauch erkennt an der Bodenstruktur, wie sich die Ameise relativ zum Untergrund bewegt. Mit beiden Systemen in Kombination kennt jede Ameise ihre Position, selbst wenn ihre Sicht temporär beeinträchtigt ist. 01: Ausgetüftelter Name: „ANT“ steht sowohl für das natürliche Vorbild als auch für Autonomous Networking Technologies Fühler Kontakt zur Ladestation 02: Ausgetüfteltes Konzept: In jeder Ameise sind zahlreiche Komponenten, Technologien und Funktionen auf engstem Bauraum kombiniert 01 02 Akkus 2 Lipo Zellen seriell 8.4 V Laufzeit bis zu 40 Minuten Piezokeramische Biegewandler Bewegen der Greifzangen Ringleitung mit Endstufen Permanente Spannung von 300 Volt und Schnittstelle zur Aktorik Funkmodul Kommunikation der Ameisen untereinander Optischer Sensorchip Erfassung der zurückgelegten Distanz anhand der Bodenstruktur Ladeschaltung Konstante Umwandlung von 8,4 Volt auf 300 Volt, die für piezokeramische Biege- wandler notwendig sind 3D-Stereokamera Selbstlokalisierung und diffe- renzierte Objekterkennung Piezokeramische Biegewandler Schubbewegung in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung Anheben und Senken des Beins Prozessor Verteilung aller nötigen Signale und Ansteuerung der Aktoren
Besonderheiten der Ameise Ameisen gelten als emsige Arbeiter, die das Hundertfache ihres Körper- gewichts tragen können. Sie leben in großen Staaten mit einer klaren Rangordnung und festen Regeln. In einem Ameisenstaat weiß jedes Tier, welche Aufgaben es zu erfüllen gibt. Dadurch können die Tiere gemeinsam Arbeiten erledigen, die eine einzelne Ameise alleine nicht bewältigen könnte. Technischer Nutzen für Festo Dieses kooperative Verhalten hat Festo genauer unter die Lupe genommen und auf die BionicANTs übertragen. Die künstlichen Ameisen zei- gen auf abstrahierte Art und Weise, wie selbstorganisierende Einzelkomponenten miteinander kommunizieren und als vernetztes Gesamtsystem eine komplexe Aufgabe lösen. BionicANTs Kooperatives Verhalten nach natürlichem Vorbild
7 BionicANTs 6 Festo AG & Co. KG BionicANTs Entwicklungsplattformen für neue Technologien und Fertigungsverfahren 04: Einmalige Kombination: 3D-MIDTechnologie auf lasergesinterten Form- teilen 03: Präzise Ansteuerung: piezokeramische Biegewandler in der Aktorik der Beine 01: Ideale Plattform: Forschungsträger zur Erprobung neuer Technologien 02: Hochintergierte Bauteile: konstruktive und elektrische Funktionen in einem Über 2.900 Patente weltweit und 100 Produktneuheiten pro Jahr sprechen für sich: Festo bietet seinen Kunden seit jeher innovative Automatisierungslösungen und hat dabei stets die Produktions- und Arbeitswelten der Zukunft im Blick. Neue Ansätze und Impulse hierfür liefert das Bionic Learning Network. Im Verbund mit Hochschulen, Instituten und Entwicklerfirmen befasst sich Festo gezielt mit dem Übertrag natürlicher Phänomene in die Technik. In Jahrmillionen der Evolution hat die Natur unterschiedlichste Optimierungsstrategien zur Anpassung an die Umwelt entwickelt, die sich nicht selten für das Kerngeschäft von Festo ableiten lassen. Eine der wichtigsten Entwicklungen ist die Kommunikation einzelner Tiere untereinander. Das besondere Verhalten von Ameisen konnten die Ingenieure durch die Kombination verschiedener Technologien umsetzen. Sie sind die konstruktive Grundlage der hochintegrierten Mikrosysteme, die zusätzlich mit einer eigenen Intelligenz für dezen- trales Handeln ausgestattet sind. Damit bilden die Ameisen mög- liche Produktionsszenarien von morgen und übermorgen ab. Einsatz neuer Fertigungstechnologien Das Selektive Lasersintern (SLS) ist ein generatives Herstellver- fahren, das Festo bereits in zahlreichen bionischen Projekten erprobt und weiterentwickelt hat. Auch die Körper der BionicANTs bestehen aus Polyamidpulver, das schichtweise mit einem Laser verschmolzen wurde. Zum ersten Mal kombiniert Festo nun aber gesinterte Bauteile mit der 3D-MID-Technologie. 3D-Molded Interconnect Devices besitzen räumliche Leiterbahnen, die sichtbar auf der Oberfläche von Formteilen angebracht werden und als Schaltungsträger für elektronische und mechatronische Baugruppen dienen. Sie kommen ganz ohne Kabel aus und benötigen nur einen geringen Montageaufwand. Bekannte Einsatzgebiete für die MID-Technik sind der Automobilbau, die Medizin- und Telekommunikationstechnik sowie die Luft- und Raumfahrt. Erstmals realisiert Festo nun Miniaturroboter mit der Technologie und gewinnt dadurch neue Erkenntnisse über ein Fertigungsverfahren, das bald Einzug in die Produktentwicklung halten könnte. Erprobung vernetzter Gesamtsysteme In der Welt der Produktion ist ein grundlegender Wandel im Gang. Die Zukunft verlangt höchste Flexibilität und Wandelbarkeit. Künftig geht der Trend immer mehr zum individualisierten Produkt. Die damit verbundenen kleinen Stückzahlen und die hohe Varian- tenvielfalt erfordern Technologien, die sich kontinuierlich an veränderte Bedingungen anpassen. Die Komponenten in den Industrieanlagen der Zukunft müssen deshalb in der Lage sein, sich untereinander abzustimmen. Aufgaben, die heute noch der zentrale Leitrechner innehat, werden in Zukunft von den Komponenten übernommen. Um solche vernetzten Gesamtsysteme zu ermöglichen, entwickelt Festo wegweisende Technologien wie die Feinwerktechnik und die Mikrosystemtechnik intensiv weiter. Dabei werden auch verschiedenste Materialien und Fertigungsverfahren erprobt, die eine Funktionsintegration auf so engem Raum überhaupt erst möglich machen. Die Forschungsträger des Bionic Learning Network sind dabei ideale Plattformen, um natürliche Prinzipien nicht nur zu untersuchen, sondern sie mit neuen Methoden umzusetzen. Ausbau bewährter Kompetenzen Auf dem Gebiet der Piezotechnologie besitzt Festo bereits langjährige Erfahrung. Die Festo Microtechnology AG in der Schweiz ist ein Kompetenzzentrum für die Piezofertigung. Hier produziert Festo auch die Proportionalventile, in denen die Technologie zur Durchfluss- und Druckregelung integriert ist. Die Piezoventile von Festo kommen unter anderem in Fahrzeugen als Sitzkomfortventile zum Einsatz. Außerdem finden sie Verwendung in der Laborautomation und der Medizintechnik. In mobilen Beatmungsgeräten können sie die Luft- und Sauerstoffzufuhr exakt dosieren. Ihr geringer Energieverbrauch erfordert nur selten einen Batteriewechsel. Nicht zuletzt läuft der Schaltvorgang fast lautlos ab, wodurch die Patienten nicht weiter eingeschränkt werden. Piezokeramische Aktoren werden derweil hauptsächlich als Drucksensoren eingesetzt und zur Energiegewinnung genutzt. Ihre Verwendung in Miniaturrobotern dagegen ist äußerst selten. Mit dem Antriebskonzept der BionicANTs zeigt Festo erneut, wie eine bewährte Technologie auf neuen Wegen eingesetzt werden kann. 04 01 02 03
èFilm Technische Daten Länge: .................................................................................135 mm Höhe: ....................................................................................43 mm Breite: .................................................................................150 mm Gewicht: .................................................................................105 g Schrittweite: .........................................................................10 mm Material Körper und Beine: .......................Polyamid, lasergesintert Material Fühler: ..............................................................Federstahl 3D-MID: ................ Laserstrukturierung und Goldbeschichtung von . .................................................................................Lasermicronics Aktorik Greifer: ...........2 trimorphe piezokeramische Biegewandler .......................................................................(32,5 × 1,9 × 0,7 mm) Aktorik Beine: ...........18 trimorphe piezokeramische Biegewandler .............................................................................(47 × 6 × 0,8 mm) Stereokamera: ..................Micro Air Vehicle (MAV) lab der TU Delft Funkmodul: ............................................................................JNtec Optischer Sensor: ..................ADNS-2080 von Avago Technologies Prozessor: .......................................................................Cortex M4 Akkus: ......................................380-mAh-LiPo-Akkus, seriell, 8,4 V Projektbeteiligte Projektinitiator: Dr. Wilfried Stoll, Geschäftsführender Gesellschafter Festo Holding GmbH Projektleitung: Dr.-Ing. Heinrich Frontzek, Dr.-Ing. Elias Knubben Festo AG & Co. KG Projektteam: Nadine Kärcher, Mart Moerdijk, Sebastian Schrof, Dr.-Ing. Alexander Hildebrandt, Danny Hameeteman, Jochen Spohrer, Festo AG & Co. KG Steuer- und Regelungstechnik: Prof. Dr.-Ing. Knut Graichen, Sebastian Hentzelt Universität Ulm, Institut für Mess-, Regel- u. Mikrotechnik Wissenschaftliche Betreuung: Dr. rer. nat. Nina Gaißert Festo AG & Co. KG 50055 de 4/2015 Festo AG & Co. KG Ruiter Straße 82 73734 Esslingen Deutschland Telefon 0711 347-0 Fax 0711 347-21 55 cc@de.festo.com www.festo.com/bionik
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