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FlexShapeGripper Greifen nach dem Vorbild der Chamäleonzunge

3 FlexShapeGripper 2 Festo AG & Co. KG Gegenstände aufnehmen, halten und ablegen – seit jeher spielen Greifanwendungen in der Produktion eine zentrale Rolle. Als Impulsgeber der Industrie-Automatisierung ist Festo daher ständig auf der Suche nach neuen Greifprinzipien und innovativen Lösungsansätzen für die Produktionssysteme in der Fabrik von morgen. Eine Inspiration für neues Wissen und zukünftige Technologien ist die Natur. Deshalb hat Festo das Bionic Learning Network ins Leben gerufen. Im Verbund mit Hochschulen, Instituten und Entwicklerfirmen hat sich Festo bereits mehrfach mit den unterschiedlichsten Greifmechanismen nach biologischem Vorbild beschäftigt. Pick-and-Place von verschiedensten Formen In Kooperation mit der Hochschule Oslo und Akershus präsentiert Festo nun einen Greifer, dessen Wirkprinzip von der Zunge des Chamäleons abgeleitet ist. Er kann mehrere Objekte mit unterschiedlichsten Formen in einem Vorgang greifen, sammeln und wieder abgeben – ohne dass ein manueller Umbau notwendig ist. Möglich wird das durch seine wassergefüllte Silikonkappe, die sich flexibel und formschlüssig über das jeweilige Greifgut stülpt. Nach dem Vorbild der Natur Die inhärente Anpassungsfähigkeit an verschiedene Formen verleiht dem FlexShapeGripper seinen Namen. In der Natur lässt sich die einzigartige Kombination von Kraft- und Formschluss der Zunge bei der Jagd des Chamäleons auf Insekten beobachten. Hat das Chamäleon seine Beute im Visier, lässt es seine Zunge wie ein Gummiband herausschnellen. Kurz bevor die Zungenspitze das Insekt erreicht, zieht sie sich in der Mitte zurück, während sich die Ränder weiter vorwärtsbewegen. Dadurch passt sich die Zunge der Form und Größe des jeweiligen Beutetieres an und kann es fest umschließen. Die Beute bleibt an der Zunge haften und wird wie an einer Angelschnur eingeholt. Neue Impulse durch Open Innovation Zu den Zielen des Bionic Learning Network zählt aber nicht nur das Lernen von der Natur, sondern auch das frühzeitige Erkennen und Fördern guter Ideen und deren gemeinsame Umsetzung über Unternehmensgrenzen hinweg. Der Greifer ist ein hervorragendes Beispiel für die enge Zusammenarbeit von Festo mit Hochschulen im Rahmen des Netzwerks. FlexShapeGripper Softes Greifen für unterschiedliche Aufgaben Anstoß für das Projekt war ein Workshop zum Thema Bionik an der Hochschule Oslo und Akershus, bei dem Festo seine aktuellen Forschungsansätze aus dem Bionic Learning Network präsentierte. Zwei der Studierenden ließen sich erst von dem Vortrag und dann von der Natur inspirieren: Im Rahmen ihrer Masterthesis präsentierten sie das bionische Greifprinzip nach dem Vorbild der Cha- mäleonzunge. Gemeinsam mit den Ingenieuren von Festo wurden anschließend das Material, das Design und die pneumatischen Komponenten des Greifers optimiert und der Entwurf zum FlexShapeGripper weiterentwickelt. Technischer Aufbau des Greifers Der Greifer besteht aus einem doppeltwirkenden Zylinder, dessen eine Kammer mit Druckluft befüllt wird, während die zweite dauerhaft mit Wasser gefüllt ist. An dieser zweiten Kammer ist das elastische Silikonformteil montiert, das der Zunge des Chamäleons entspricht. Das Volumen der beiden Kammern ist so ausgelegt, dass die Verformung des Silikonteils ausgeglichen wird. Der Kolben, der beide Kammern voneinander dicht abtrennt, ist mit einem dünnen Stab an der Innenseite der Silikonkappe befestigt. Formschlüssiges Greifen dank Umstülpung Beim Greifvorgang führt ein Handlingsystem den Greifer über das Objekt, sodass er den Gegenstand mit seiner Silikonkappe berührt. Nun wird die obere Druckkammer entlüftet. Der Kolben fährt mittels Federunterstützung nach oben und das wassergefüllte Silikonteil zieht sich nach innen. Gleichzeitig führt das Handling den Greifer weiter über das Objekt. Die Silikonkappe stülpt sich dabei über jedes beliebig geformte Greifobjekt, wodurch ein fester Formschluss entsteht. Das elastische Silikon erlaubt eine präzise Anpassung an sehr viele unterschiedliche Geometrien. Die hohe Haftreibung des Materials erzeugt eine starke Haltekraft. Sowohl der Halte- als auch der Ablösemechanismus sind pneumatisch gelöst. Für den Haltevorgang ist keine zusätzliche Energie notwendig. Die Nachgiebigkeit der kompressiblen Druckluft vereinfacht die Koordination von Handling und Greifer während des Greifvorgangs. Mit Hilfe eines Proportionalventils lassen sich die Kraft und die Verformung des Silikonteiles sehr genau einstellen. Dadurch können in einem Vorgang mehrere Teile auf einmal gegriffen werden. 01: Universeller Einsatz: flexibles Greifen von unterschiedlichsten Objekten 02: Energiefreies Halten: auch beim Sammeln von mehreren Objekten in einem Vorgang 03: Natürliches Vorbild: die formschlüssige Schleuderzunge des Chamäleons 04: Kontrolliertes Sammeln: Aufnehmen und Ablegen nach dem Last-in-first-out- Prinzip 01 02 03 04

Besonderheiten des Chamäleons Chamäleons sind faszinierende Tiere. Sie können ihre Augen unabhängig voneinander bewegen und wechseln je nach Stimmung und Temperatur ihre Farbe. Eine weitere Besonderheit ist ihre Jagdstrategie. Mit ihrem einzigartigen Zungenschuss können sie blitzschnell zuschnappen und ihre Beute sicher heranholen. Technischer Nutzen für Festo Ein Chamäleon kann verschiedenste Insekten erbeuten, indem sich seine Zunge über das jeweilige Beutetier stülpt und es sicher umschließt. Der FlexShapeGripper nutzt dieses Prinzip, um unterschiedlichste Objekte formschlüssig zu greifen. Mit seiner elastischen Silikonkappe kann er sogar mehrere Gegenstände in einem Greifvorgang aufnehmen und gesammelt ablegen. FlexShapeGripper Greifen nach dem Vorbild der Chamäleonzunge

7 FlexShapeGripper 6 Festo AG & Co. KG Flexible Anlagen und adaptive Komponenten Neue Lösungen für die Produktion der Zukunft 04: PowerGripper 2012: inspiriert von der Kinematik des Vogelschnabels 03: NanoForceGripper 2012: Greifen nach dem Vorbild des Geckofußes 07: MultiChoiceGripper 2014: variables Greifen von verschiedenen Formen 01: FlexShapeGripper 2015: Formschluss der Chamäleonzunge 05: ExoHand 2012: Kraftverstärkung für die Mensch-Technik-Kooperation 02: BionicTripod mit FinGripper 2009: nach dem Prinzip der Fischschwanzflosse 06: LearningGripper 2013: Greifen und Lernen im Zusammenspiel Als Innovationsführer seiner Branche hat es Festo sich zur Aufgabe gemacht, die Produktion der Zukunft mitzugestalten. Wichtiger Bestandteil dabei ist es, die Fertigungsprozesse einfacher zu ge- stalten und neue Produktionssysteme zu entwickeln. Greifer in der Automation von heute Bereits heute gibt es in der Industrieautomation eine Vielzahl von verschiedenen Greifern, die jeweils für eine spezielle Aufgabe entwickelt worden sind. Ändert sich die Form eines Werkstücks, muss der entsprechende Greifer in der Regel ausgetauscht oder aufwendig umgebaut werden. In Anlagen, die verschiedene Produkte fertigen, kommen daher häufig Wechselsysteme zum Einsatz, die mit unterschiedlichen Greifern bestückt sind. Anforderungen der Fabrik von morgen In der Produktion der Zukunft dagegen werden immer flexiblere Anlagen und Komponenten benötigt, die sich im Sinne von Plugand-Produce eigenständig auf das jeweils zu fertigende Produkt einstellen. Anpassungsfähige Greifer wie der FlexShapeGripper können dabei eine bedeutsame Rolle einnehmen. Verschiedenste Greifer nach biologischem Vorbild Der FlexShapeGripper fügt sich in eine Reihe von Greifern ein, die bereits aus den interdisziplinären Forschungsarbeiten des Bionic Learning Network hervorgegangen sind. Erstmals ließen sich die Entwickler 2009 bei den adaptiven Greiffingern des BionicTripod von der Tierwelt inspirieren. Wie die Fischflosse knickt die Struktur mit Fin Ray Effect® bei seitlichem Druck nicht weg, sondern wölbt sich um den Druckpunkt herum. So schließen sich die Finger sanft um das Greifgut, was ein sicheres Greifen von leicht zerbrechlichen und unregelmäßig geform- ten Objekten ermöglicht. Derzeit entwickelt Festo den Greiffinger unter dem Namen DHAS zum Serienprodukt weiter. Ein weiteres Greiferprojekt aus dem Bionic Learning Network ist der NanoForceGripper von 2012, dessen Greiffläche dem Geckofuß nachempfunden ist. Mit ihm lassen sich speziell empfindliche Gegenstände mit glatten Oberflächen rückstandslos und nahezu energiefrei greifen. Im PowerGripper haben die Entwickler die komplexe Kinematik des Vogelschnabels umgesetzt. Einsatzpotenziale in der Zukunft Zukünftig könnte der FlexShapeGripper überall dort eingesetzt werden, wo mehrere Gegenstände mit unterschiedlichen Formen gleichzeitig gehandhabt werden – beispielsweise in der Servicerobotik, bei Montageaufgaben oder beim Handling von Kleinteilen. In flexiblen Produktionsanlagen ließen sich in einem Vorgang verschiedenste Produkte und Bauteile handhaben, ohne dass der Greifer gewechselt werden muss. Auch das Sortieren von Obst und Gemüse oder anderen Objekten mit ungleichmäßigen Geometrien wäre eine mögliche Aufgabe für einen universellen Greifer wie den FlexShapeGripper. Einmal in Betrieb genommen, kann der Greifer verschiedene Aufgaben erledigen. Diese Funktionsintegration ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Systeme und Komponenten in Zukunft selbst an verschiedene Produktionsszenarien anpassen können. Das Projekt zeigt zudem, wie Festo aus der Natur neue Erkenntnisse für das Kerngeschäft der Automation gewinnt und wie wichtig der interdisziplinäre Austausch über Unternehmensgrenzen hinweg ist. Die ExoHand ist ein Exoskelett, das wie ein Handschuh angezogen werden kann. Mit ihr lassen sich Finger aktiv bewegen, die Kraft in den Fingern verstärken sowie Bewegungen der Hand aufnehmen und in Echtzeit auf Roboterhände übertragen. Durch Force-Feedback fühlt der Mensch dabei, was der Roboter greift. 2013 hat Festo mit dem LearningGripper einen bionischen Forschungsträger entwickelt, der lernfähig ist und sich eine komplexe Handlung selbst aneignen kann. Ein Jahr später diente beim MultiChoiceGripper der opponierende Daumen der menschlichen Hand als Inspiration: Wie sein natürliches Vorbild kann der Greifer seine Finger so umschalten, dass sie entweder parallel oder zentrisch greifen – ohne dass ein Umbau erforderlich ist. Alle Greifer in einem gemeinsamen Exponat Mit dem FlexShapeGripper ist den Entwicklern nun der nächste Schritt gelungen: ein Greifer, der mehrere Objekte mit unterschiedlichen Formen sammeln und zusammen ablegen kann. Festo präsentiert ihn gemeinsam mit den bisherigen Greifern und zeigt damit die Vielfalt der Greifer aus dem Bionic Learning Network. 02 03 04 05 06 07 01

èFilm Wissenschaftliche Betreuung: Dr. rer. nat. Nina Gaißert Festo AG & Co. KG Fin Ray Effect® ist eine Marke der Evologics GmbH, Berlin Projektbeteiligte Projektinitiator: Dr. Wilfried Stoll, Geschäftsführender Gesellschafter Festo Holding GmbH Projektleitung: Dr.-Ing. Heinrich Frontzek, Dr.-Ing. Elias Knubben Festo AG & Co. KG Projektteam: Nadine Kärcher, Marinus Matthias Moerdijk, Sebastian Schrof Festo AG & Co. KG Jon Eirik Mangschau, Ole Jørgen Iversen, Halvor Skrede Hochschule Oslo und Akershus, Department of Product Design Festo AG & Co. KG Ruiter Straße 82 73734 Esslingen Deutschland Telefon 0711 347-0 Fax 0711 347-21 55 cc@de.festo.com www.festo.com/bionik 50059 de 1/2017

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