» Welche Bedeutung hat die Chip-Industrie für die gesamte Industrie und Wertschöpfung weltweit? Bösenberg: Die Chipherstellung ist extrem hoch automatisiert und benötigt eine innovationsfähige Automatisierung. Umgekehrt braucht die Automatisierung stets neue und leistungsfähigere Halbleiterprodukte. Der sehr hohe Automatisierungsgrad der deutschen Chip-Werke ist mit ein Grund dafür, dass sich diese am Weltmarkt behaupten können. » Welche Rolle spielt die Automatisierung für die Chipherstellung? Bösenberg: Anspruchsvoll ist die Ausrichtung auf Neuentwicklungen einerseits und die Modernisierung andererseits. Die immer kleiner werdenden Chips sind mit immer größer werdenden Investitionskosten für die Chip-Werke verbunden. Die Skalierung, die auf allen Ebenen stattfindet, und die dafür nötigen Summen sind schwindelerregend. Neue Werke erfordern oft Invests im Bereich hoher zweistelliger Euro-Milliarden-Beträge. Manche Maschinen für die Chipbearbeitung kosten mehrere hundert Millionen Euro. Dank technologischer Weiterentwicklungen in der Automatisierung können aber auch bestehende Werke über viele Jahre hinweg modernisiert und weiterbetrieben werden. » Nachhaltigkeit ist eines der Top-Themen. Wie wichtig ist der CO2-Footprint in der SemiconIndustrie geworden und wie tragen Halbleiter zur Energiewende bei? Bösenberg: Die Chip-Industrie ist ein Träger der Energiewende und gleichzeitig ist Nachhaltigkeit in der Chipherstellung eine Herausforderung. Schon aus Kosteneffizienzgründen hat die Chip-Wirtschaft ein intrinsisches Interesse, so effizient wie möglich zu handeln. Digitalisierung und Dekarbonisierung werden durch Halbleiter in vielen Bereichen erst in großem Maßstab möglich. Dem aktuellen CO2-Footprint der Halbleiterindustrie steht ein großes Plus an Nachhaltigkeit in all den Sektoren gegenüber, in denen Chips zur Emissionssenkung beitragen. » Herr Manocha, Künstliche Intelligenz ist eines der bestimmenden Themen der Gegenwart. Wie wird KI die Welt der Halbleiter verändern? Ajit Manocha: KI wird eine große Ära des Wachstums anstoßen. Derzeit profitieren wir nach wie vor von der Ära des Internet der Dinge – IoT. Das IoT hat aufgrund seiner Konnektivität zu einem großen Halbleiterwachstum geführt. Dies wird sich fortsetzen und mit KI noch beschleunigen. Die künstliche Intelligenz ist bereits seit 50 bis 60 Jahren bekannt, nun haben die Menschen erkannt, wie man die Vorteile der KI nutzen kann. Ein Grund dafür ist, dass erst jetzt die Hardware dies ermöglicht. Mittels KI werden wir in immer kleinere Chip-Dimensionen vorstoßen, wie die Fünf-Nanometer-Technologien und darunter. KI wird der Treiber des Halbleiterwachstums der Zukunft sein. » Was sind die Branchen und Anwendungsbereiche, die von KI am meisten gewinnen und damit auch das Halbleiterwachstum weiter befeuern werden? Manocha: Einer der größten Gewinner wird die Automobilindustrie sein, da deren Bedarf an Halbleitern wächst. Dann vor allem auch die Biowissenschaftsbranchen und hier besonders die medizinische Industrie, da die Konvergenz von Medizin und Halbleitern riesig ist. Beides zusammen – Automobil und Life Sciences – wird eine enorm große Nachfrage nach Halb- leitern auslösen. Dies gilt vor allem für den Bereich der fortgeschrittenen Technologien, die von KI weiter vorangetrieben werden. Noch ist schwer zu sagen, welches Wachstum zukünftig im Bereich der ausgereiften und der fortschrittlichen Halbleiter zu erwarten ist. » Welche Dimensionen wird der Halbleitermarkt in Zukunft erreichen – Stichwort 1-Billion-Grenze? Manocha: Klar zu sehen ist, dass auf Seiten der Investitionen in den Wafer-Fabriken rund 50 % in die Entwicklung und Herstellung von KI-fähigen Chips oder Gen-AI-Chips fließen werden. Ich glaube, dass das, was wir bisher auf dem Gebiet der KI gesehen haben, nur die Spitze des Eisbergs ist, es wird noch viel mehr kommen. Mit KI und der darauffolgenden Quantencomputer-Entwicklung werden wir im Halbleitermarkt bis 2040 oder spätestens 2045 die 2-Billionen-Dollar-Grenze an weltweitem Umsatz knacken. Interview//Frank Bösenberg ... bis ins Silicon Valley
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