PhotoBionicCell Automatisierte Kultivierung von Biomasse
01 02 Carboxysomen Polyhydroxybuttersäure (PHB) Gasblasen DNA Thylakoidmembranen 02: Aufbau der Algenzelle: Gewinnung von PHB für Biokunststoffe PhotoBionicCell Automatisierte Kultivierung von Biomasse Unsere Erde verändert sich in nie dagewesenem Maße. Die Weltbevölkerung wächst, die Folgen des Klimawandels sind spürbar. Wir erhalten uns eine lebenswerte Zukunft nur, wenn Menschheit, Tier- und Pflanzenwelt in einem harmonischen Gleichgewicht leben. Daher betrachten wir bei Festo die Bioökonomie als Wirtschaftssystem der Zukunft. Unser Anspruch ist, einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität heutiger und kommender Generationen zu leisten – durch die Kultivierung von Biomasse im großen Stil durch unsere Automatisierungstechnik. Nachhaltigkeit durch Kreislaufwirtschaft Wenn wir es schaffen, in Kreisläufen zu wirtschaften, entstehen Innovationsräume, von denen Mensch und Umwelt zugleich profitieren. Kreislaufwirtschaft bedeutet, bei möglichst geringem Ressourceneinsatz kohlendioxidneutral zu produzieren. Die Idee dahinter ist, lebende Materie als biologische Basis energieeffizient zu kultivieren, sodass sich daraus Rohstoffe gewinnen und zu Produkten weiterverarbeiten lassen. Diese sollen letztlich wieder in den natürlichen Kreislauf zurückgegeben werden. Im Lernunternehmen Festo sehen wir die Biologie seit Jahrzehnten als Inspirationsquelle und Lehrmeister. Im Laufe der Jahre entwickelten unsere Bioniker eine Vielzahl technologischer Innovationen. Das Forschungsprojekt PhotoBionicCell zeigt einen möglichen Ansatz für die industrielle Biologisierung von morgen. Effiziente Photosynthese im Hightech-Bioreaktor Mit dem Bioreaktor lassen sich Algen automatisiert kultivieren und ihr Wachstum kontrollieren. Dazu wird die Algenflüssigkeit nach oben in die Flächenkollektoren gepumpt, wo sie sich in gleichmäßiger Strömung verteilt und anschließend wieder in den Kultivator zurückfließt. Während dieser Zirkulation wandeln die Algenzellen mittels Photosynthese in ihren Chloroplasten Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser in Sauerstoff und chemische Energieträger bzw. organische Wertstoffe um. So wird die Biomasse im geschlossenen Kreislauf hocheffizient und ressourcenschonend gezüchtet. Im Vergleich zu heute verbreiteten Systemen, wie offenen Becken oder Folienbioreaktoren, kann mit PhotoBionicCell mehr als die zehnfache Menge an Biomasse gewonnen werden. Biologische Wertstoffe für klimaneutrale Endprodukte Abhängig von den Nährstoffen, die der Algenbiomasse zugeführt werden, bilden sich als Produkte ihrer Stoffwechselvorgänge Fettsäuren, Farbpigmente und Tenside. Diese dienen als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Medikamenten, Lebensmitteln, Kunststoffen, Kosmetika oder Kraftstoffen. Anders als Produkte auf Erdölbasis können die biobasierten Endprodukte meist biologisch abgebaut und – ganz im Sinne einer gesamthaften Kreislaufwirtschaft – immer klimaneutral rückgeführt werden. Für die Arbeiten zu PhotoBionicCell haben sich unsere Forscher auf die Kultivierung der Blaualge Synechocystis fokussiert. Sie produziert Farbpigmente, Omega-3-Fettsäuren und Polyhydroxybuttersäure (PHB). Dieses gewonnene PHB lässt sich durch den Zusatz weiterer Stoffe zu einem Filament für den 3D-Druck verarbeiten. Mit dieser modernen Produktionstechnologie können in kurzer Zeit komplexe Formen nachhaltiger Kunststoffkomponenten oder Verpackungen hergestellt werden. Bei PhotoBionicCell sind beispielsweise bestimmte Befestigungsklammern aus dem Biokunststoff verbaut. Intelligente Steuerungs- und Regelungstechnik Um die bestmöglichen Bedingungen für die Mikroorganismen zu schaffen, kommt das Zusammenspiel von bewährter Steuerungs- und Regelungstechnik mit neuesten Automatisierungskomponenten zum Tragen. Ein ganzheitliches Begasungskonzept sorgt für die gleichmäßige Verteilung des aus der Luft entnommenen Kohlendioxids in der zirkulierenden Bioflüssigkeit. Innovative Quantensensor-Technologie Eine große Herausforderung bei Bioreaktoren ist, die Menge der Biomasse genau zu bestimmen. Hierfür setzen unsere Entwickler auf einen Quantentechnologie-Sensor des Start-ups Q.ANT. Dieser gibt präzise und in Echtzeit Auskunft über das Wachstum der Organismen. Die Algen werden ihm dafür automatisiert und kontinuierlich mittels Mikrofluidik von Festo zugeleitet. Der Quantensensor ist in der Lage, optisch einzelne Zellen zu detektieren, sodass die Menge der Biomasse exakt ermittelt werden kann. Zusätzlich untersucht er die Zellen auf ihre Vitalität. Erst dadurch ist es möglich, vorrausschauend auf Prozessereignisse zu reagieren und regelnd einzugreifen. 01: Automatisierter Bioreaktor: Photosynthese der Algen im geschlossenen Kreislauf 2 Festo SE & Co. KG 3 PhotoBionicCell: Automatisierte Kultivierung von Biomasse
Labor-Software mit Cloud-Anbindung Live-Bild Im 30-Sekunden-Takt Überwachung Zeitraum- und Stichprobenerfassung von: • Innentemperatur • Umgebungstemperatur Fernsteuerung Von Paramtern wie: • pH-Wert • Temperatur • Lichtintensität • pH-Wert • Luftzufuhr • Luftzufuhr • Umwälzung • CO2-Gehalt In Bioreaktoren, die mit Algenzellen als Miniaturfabriken arbeiten, steckt erhebliches Potenzial für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft. Die im Wasser lebenden Algen sind bereits bei ihrer natürlichen Photosynthese im Freien äußerst effizient: Sie binden zehnmal mehr Kohlendioxid (CO2) als Landpflanzen. In Kombination mit der richtigen Sensorik, Regelungstechnik und Automatisierung kann die Effizienz der Algen auf das Hundertfache von Landpflanzen gesteigert werden. Darüber hinaus benötigen sie wesentlich weniger Fläche und weniger Wasser. CO2-Absorber Umwandlung von Umgebungsluft in komprimiertes Kohlendioxid Quantensensor Optische Echtzeitbestimmung der Biomasse Proportional-Durchflussregelventil VEMD Exakt dosierte Begasung dank Piezotechnologie Automatisierungssystem CPX-E Steuerung sämtlicher Vorgänge im Behälter und Kommunikation in die Cloud Verbindungsklammern 3D-gedruckt aus PHB-Biokunststoff Peristaltikpumpen 3 Stück für die Zufuhr von Nährlösung, Base und Säure zur pH-Wert-Regulierung im Behälter Bus Interface CPX-AP-I-EC-M12 Zur Kommunikation mit den Ventil-Sensor-Einheiten Umwälzpumpen 3 Stück für die kontinuierliche Durch- mischung der Flüssigkeit im Behälter 3 Stück für die Beförderung der Flüssigkeit in die Kollektoren Keramische Begasungselemente Zuführung von Gas in möglichst kleinen Bläschen zur optimalen Aufnahme in der Flüssigkeit Beleuchtungselemente Für eine optimale Lichtintensität rund um die Uhr Kultivator Behälter für ein Algenvolumen bis zu 15 Litern Multisensor Zur Messung von Umgebungstemperatur, Lichtintensität und Lichteinfallwinkel Segelförmige Flächenkollektoren 3 Stück zur optimierten Lichtaufnahme und zur Regulierung des Wärmehaushalts Ventil-Sensor-Einheiten 3 Stück zur Ablaufsteuerung der Zirkulation in den Flächenkollektoren Transparente Acrylrohre Mit zirkulierender Algenflüssigkeit für eine optimierte Lichtaufnahme und Wärmeaustausch PhotoBionicCell Effiziente Photosynthese
PhotoBionicCell Automatisierte Kultivierung von Biomasse Softwarelösungen für ein digitalisiertes Labor In Laboren werden bisher viele Analysen von Hand gemacht. Das ist aufwändig und kann zu Fehlern führen. Durch die Automatisierung solcher Laboranlagen ließen sich zukünftig alle notwendigen Daten direkt und in Echtzeit ablesen und die Forscher könnten sich besser auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. PhotoBionicCell wird von einer eigens entwickelten Software komplettiert. Ihr Dashboard ermöglicht es, mehrere Photobioreaktoren mit aktueller Datenlage und Live-Aufnahmen abzubilden. So las- sen sich rund um die Uhr auch aus der Ferne manuelle Parameter- änderungen und die entsprechenden Auswertungen vornehmen. Dadurch können die Nutzer jederzeit auf Veränderungen im Bioreaktor reagieren und beispielsweise die Produkternte zum optimalen Zeitpunkt einleiten. Ergänzt wird das digitalisierte Labor durch eine Augmented-RealityAnwendung. Per Tablet lässt sich die Realität erweitern, um technische Abläufe, Prozessparameter und Informationen zu Prozessen im Inneren des Bioreaktors zu visualisieren. Künstliche Intelligenz und digitale Zwillinge Zur Auswertung der Daten setzen unsere Entwickler auch Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) ein. Damit kann der Bioreaktor entweder auf die Vermehrung der Algenkulturen optimiert werden oder darauf, vorgegebene Wachstumsparameter bei minimalem Energieeinsatz zu erhalten. Außerdem könnte die Haltbarkeit von Ventilen und anderen Komponenten damit prognostiziert werden. Denkbar wäre auch der Einsatz von digitalen Zwillingen, die mit Hilfe von KI erstellt werden. Mit ihnen könnten künftig komplette Lebenszyklen von Bioreaktoren simuliert und virtuell abgebildet werden. Auch das zu erwartende Zellwachstum unterschiedlichster Mikroorganismen ließe sich dann bereits vor dem physischen Aufbau eines realen Systems mit großer Genauigkeit abschätzen. Weitere Optimierung durch künstliche Photosynthese Neben der Optimierung der Laboranlagen durch Automatisierung und Digitalisierung bietet die so genannte künstliche Photosynthese eine weitere, vielversprechende Perspektive für eine noch effizientere Kultivierung von Biomasse. Automatisiertes Dispensieren als Basis Mit unserem Projektpartner Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie Marburg haben wir einen Dispensierautomaten entwickelt, um einzelne Enzyme der Photosynthese zu verbessern. Dafür müssen tausende Varianten eines Enzyms getestet werden. Der entwickelte Dispensierautomat erledigt dies verglichen mit dem händischen Pipettieren deutlich schneller und fehlerfrei. Zudem ist der Automat in Sekunden an neue Aufgaben anpassbar. Synthetische Biologie für maximale Effizienz Aber nicht nur einzelne Bausteine der Photosynthese lassen sich optimieren. Die Wissenschaftler arbeiteten daran, ganze Stoffwechselwege digital zu optimieren. Dieser Ansatz nennt sich synthetische Biologie. Ein am Computer optimierter Stoffwechselweg wird in synthetisch hergestellte Zellen verpackt, so genannte Droplets. Diese haben einen Durchmesser von rund 90 Mikrometern und enthalten alle notwendigen Enzyme und Biokatalysatoren. Dadurch sind sie in der Lage, wie ihre biologischen Vorbilder, das Kohlendioxid mittels Lichtenergie zu fixieren. Grundlagenforschung trifft Automation Auch wenn wir uns noch mitten im Entwicklungsprozess befinden, deutet sich bereits heute das Potenzial für die Zukunft an: Treffen Expertise in Automation und Grundlagenforschung zusammen, lässt sich der Weg zur kohlendioxidneutralen Produktion im industriellen Maßstab schneller beschreiten. Nachhaltig in die Zukunft Damit sich zukünftig die gewünschten Mengen an Biomasse bei kontrolliertem Zellwachstum kultivieren lassen, müssten Systeme wie PhotoBionicCell in großem Maßstab skaliert werden. Wenn chemische Prozesse durch biologische Prozesse ersetzt werden, braucht es keine hohen Temperaturen, keine aggressiven Chemikalien und keine fossilen Rohstoffe mehr. Die Produktion wird energieeffizient und nachhaltig werden – wovon Mensch und Umwelt zugleich profitieren. Für diesen Wandel hin zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft leisten wir mit innovativen Technologien und dem fortwährenden Lernen von der Natur einen maßgeblichen Beitrag. 01 05 01: Automatisierter Bioreaktor: bestmögliche Bedingungen für das Wachstum der Algen 02: Optimale Prozessstabilität: permanente Überwachung mehrerer Bioreaktoren von überall aus 03: Künstliche Photosynthese: Kultivierung der Droplets in einem zweiten Bioreaktor 04: Eigens entwickelter Dispensierautomat: tausendfache Tests zur Verbesserung der Enzyme 04 03 02 05: Industrielle Skalierung: Lösung für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft von morgen 6 Festo SE & Co. KG 7 PhotoBionicCell: Automatisierte Kultivierung von Biomasse
Technische Daten • Gesamthöhe: . .................................................................... 3,0 m • Flächenkollektoren: . ......................................................... 5,0 m2 • Kollektorenradius: . ................................................... 1,6 – 2,7 m Kultivator: • Höhe: ............................................................................. 57,0 cm • Durchmesser: ................................................................. 25,0 cm • Fassungsvermögen: ........................................................... 15,0 l • Schichtdicke Algen: .......................................................... 5,5 cm Materialien: • Kultivator: .................................................................... Acrylglas • Verbindungsklammern: ............... Polyhydroxybuttersäure (PHB) • Knotenpunkte: . ...................... Quickgen 500 (3D-Druckmaterial) • Verbindungsstangen: ................. Acrylglas (glasperlengestrahlt) • Verteilerelemente: . .......................... e-Clear (3D-Druckmaterial) Integrierte Komponenten: • Automatisierungssystem CPX-E: . .............................................. 1 • Proportional-Durchflussregelventil VEMD: ................................ 2 • Motorcontroller CMMT-ST: ....................................................... 3 • Bus Interface CPX-AP-I-EC-M12: ................................................ 1 • Digitales Ein-/Ausgangsmodul CPX-AP-I-4DI4DO-M12-5P: . ...... 3 • Mediengetrenntes Magnetventil VYKB: ..................................... 6 • Elektrik-Terminal CPX: ............................................................... 1 • Sensoren im Kultivator: .......................................................... 14 Kapazitive Sensoren für Füllstand der Kollektoren: ................... 6 Kapazitive Sensoren für Füllstand im Kultivator: ....................... 2 Durchflusssensoren: ................................................................. 2 Sensoren für Temperatur, pH-Wert und CO2-Gehalt: .............. je 1 Quantensensor: ........................................................................ 1 • Multisensor für Kollektoren: ...................................................... 1 • Gesamtanzahl Pumpen: . ......................................................... 11 de 5/2022 Projektbeteiligte Projektinitiator: Dr. Wilfried Stoll, Geschäftsführender Gesellschafter Festo Holding GmbH Projektleitung: Karoline von Häfen, Dr. Elias Knubben, Festo SE & Co. KG Projektteam: Sebastian Schrof, Michael Jakob, Timo Schwarzer, Nenja Rieskamp, Dominic Micha, Esmeralda Kramer, Philipp Steck, Ralf Kapfhamer, Ferdinand Glass, Dr. Nina Gaißert, Charlotte Tesch, Francis Goh, Duc Thang Vu, Florian Zieker, Christian Stich, Vanessa Bader, Alexander Müller, Philipp Eberl, Festo SE & Co. KG Prof. Dr. Tobias Erb, Pascal Pfister, Maren Nattermann, Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg Dr. Michael Förtsch, Dr. Helge Hattermann, Q.ANT GmbH, Stuttgart Caspar Jacob, Steinbeis Embedded Systems Technologies GmbH, Esslingen Bild 05, Seite 7: Universität Hohenheim, Fotograf Manfred Zentsch Festo SE & Co. KG Ruiter Straße 82 73734 Esslingen Deutschland Telefon 0711 347-0 Telefax 0711 347-21 55 cc@festo.com www.festo.com/bionik
RkJQdWJsaXNoZXIy NzczNDE0