BionicCellFactory Kultivierung von Biomasse im industriellen Maßstab
1 2 3 4 5 Klima- und Ressourcenschutz sind zwei der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wie können wir der Atmosphäre CO2 entziehen und damit aktiv zum Klimaschutz beitragen? Wie können wir unseren Materialverbrauch senken, mehr Stoffe wiederverwerten und gleichzeitig alternative Rohstoffe erschließen? Wir bei Festo beschäftigen uns seit geraumer Zeit mit diesen Fragen und gehen dabei neue Wege: Wir übertragen unser Know-how aus der Automatisierungstechnik auf biologische Prozesse. Auch hier ist die Natur unser großes Vorbild. Sie lehrt uns Ressourceneffizienz, denn sie kennt weder Verschwendung noch Abfall. Im Zusammenspiel von biologischen und technischen Prozessen skalieren und beschleunigen wir Lösungsansätze aus dem Laborformat und bringen diese zur industriellen Anwendung. Die Zelle als Fabrik Lebende Zellen sind die kleinsten Fabriken der Welt. Mittels Photosynthese wandeln Algenzellen in ihren Chloroplasten Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser in Sauerstoff und chemische Energieträger bzw. organische Wertstoffe um. Optimierte Wachstumsbedingungen durch Automatisierung Mit unserer Automatisierungstechnik lässt sich die Biomasse im geschlossenen Kreislauf hocheffizient, ressourcenschonend und in großem Maßstab kultivieren. Alles, was wir gegenwärtig unter immensem CO2-Ausstoß aus Erdöl herstellen, können wir auch nachhaltig aus Algen gewinnen. Sie sind kleine Klimaretter, denn sie binden zehnmal mehr CO2 als Landpflanzen. Durch ihre automatisierte Kultivierung in Bioreaktoren lässt sich dieser Wert nochmals um den Faktor zehn steigern. Die gewonnene Biomasse kann in der Chemie-, Lebensmittel-, Kosmetik- oder Pharmaindustrie eingesetzt werden. Ganzheitlicher Prozess bis hin zur Ernte und Veredelung Mit dem Projekt PhotoBionicCell haben wir im Jahr 2022 unseren ersten Bioreaktor zur automatisierten Kultivierung von Algen vorgestellt. Dieses Jahr gehen wir noch weiter. Wir zeigen mit unserer BionicCellFactory einen ganzheitlichen Bioprozess – von der optimierten Kultivierung der Algen in großem Maßstab mit dauerhafter Überwachung und Analyse über die Ernte bis hin zur Weiterverarbeitung und Veredelung verschiedener Bestandteile. Produktionssysteme der Zukunft Die BionicCellFactory ist als Modellfabrik die universelle Blaupause für ganzheitliche Produktionssysteme der Zukunft. Mit unserer Automatisierungstechnik lässt sie sich beliebig skalieren. Um den zukünftigen Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen zu decken, werden Bioreaktoren mit einem Fassungsvermögen von mehreren tausend Litern benötigt. Damit die Anlagen zuverlässig die gewünschten Mengen an Biomasse produzieren können, ist Expertise in der Prozessautomation gefragt. Portfolio für die biologische Transformation Festo entwickelt gemeinsam mit seinen Kunden intelligente Schaltschranklösungen für Bioreaktoren und baut sein Portfolio weiter aus. In der Prozesssteuerung sorgen wir für eine stabile und präzise Prozessführung bei höchster Produktivität. Dazu gehören optimierte Begasungs- und Fütterungsstrategien, Regelalgorithmen, Softsensoren zur Biomassebestimmung in Echtzeit sowie Systemkonzepte für biobasierte Produktionsprozesse. Außerdem werden wir Anlagenbetreiber mit Ferndiagnose, -wartung und -steuerung über eine Cloud unterstützen. Wenn in Zukunft weltweit eine Vielzahl modularer Produktionseinheiten zur Rohstoffgewinnung und zur Kohlenstofffixierung aufgebaut und betrieben werden, sind robuste Wertschöpfungsprozesse und eine einfache Bedienbarkeit der Anlagenmodule wichtig. Neue Berufsfelder für neue Technologien Hoch qualifiziertes technisches Personal und Biotechnologen sind aber nicht überall verfügbar. Aus diesem Grund analysieren unsere Experten von Festo Didactic bereits den neuen Wissensbedarf, um interdisziplinäre Verknüpfungen zu definieren und innovative Ausbildungsberufe, Studiengänge sowie Zusatzqualifikationen in den Bereichen Biomechatronik, Biointelligenz und Nachhaltigkeit zu etablieren. Der Paradigmenwechsel betrifft zukunftsweisende Geschäftsfelder und berufliche Anforderungen gleichermaßen. Deshalb stellen wir schon jetzt ganzheitlich die Weichen für die biologische Transformation der Ökonomie hin zur umweltgerechten Kreislaufwirtschaft. Denn nur im Zusammenspiel von Technik und Bildung lassen sich die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts verantwortungsvoll bewältigen. BionicCellFactory Kultivierung von Biomasse im industriellen Maßstab 01: BionicCellFactory: Ganzheitlicher Bioprozess in fünf Modulen. 02: PhotoBionicCell: Unser erster Bio- reaktor mit 10 Liter Fassungsvermö- gen zur automatisierten Kultivierung von Algen. CO2-Collection: Bindung von CO2 aus der Luft Analysis: Überwachung der Zellen mithilfe von Quantensensorik und KI Cultivation: Kontrolliertes Wachstum der Biomasse durch Automatisierung Harvest:Ernte der Zellen mittels Zentrifuge Enzymatic Transformation: Gewinnung und Weiter- verarbeitung der Zell- bestandteile
Eine große Herausforderung bei Bioreaktoren besteht darin, die Menge der Biomasse zu bestimmen. Dazu nutzen wir im Analyse-Modul eine optische Methode, die auf Mikroskopie und KI basiert, und die Quantentechnologie. Das digitale Mikroskop liefert kontinuierlich Bilder, die von der KI ausgewertet werden. Durch Trainingsbilder hat sie gelernt, die Algenzellen zu erkennen. Für den quantenbasierten Partikelsensor transportiert eine Präzisionspumpe die Algenzellen aus dem Kultivierungssystem. Mithilfe eines präzisen Ventilsystems werden sie einem Mischbehälter zugeführt, in dem sie für optimale Analysebedingungen mit Wasser verdünnt werden. Das sogenannte Pressureover-Liquid-Prinzip ermöglicht eine gleichmäßige Fließgeschwindigkeit und leitet die Mischung zum Quantensensor. Der Sensor – entwickelt vom Start-up Q.ANT – liefert große Datenmengen, die aus Größe und Anzahl der Algen, aber auch aus Fremdkörpern bestehen können. Durch diese Analysen ist es möglich, vorausschauend auf Prozessereignisse zu reagieren und regulierend einzugreifen. Modul 2: Analysis: Überwachung der Zellen mithilfe von Quantensensorik und KI BionicCellFactory Die Zellfabrik ist in fünf Module aufgeteilt, in denen Natur und Technik auf unterschiedliche Weise verschmelzen. Damit präsentieren wir die BionicCellFactory als Werkzeug für die biologische Transformation hin zu einer umweltgerechten Kreislaufwirtschaft. Im Gegensatz zu chemischen Prozessen kommen wir ohne hohe Temperaturen, hohe Drücke und Giftstoffe aus. Algen wachsen am besten bei einer CO2-Konzentration von rund zwei Prozent. Da unsere Umgebungsluft jedoch weit weniger als ein Prozent enthält, reichert das CO2-Collection-Modul die Algen mit einer höheren Konzentration an: Es filtert das benötigte Gas aus komprimierter Luft, indem es diese in eine Kammer mit CO2-bindendem Granulat einbläst. Das Granulat besteht aus einem Polymer, das abhängig von den herrschenden Bedingungen CO2 aufnehmen oder auch abgeben kann. Hat das Granulat ausreichend CO2 aufgenommen, wird es auf eine Temperatur von 90 Grad Celsius erhitzt, um das Gas wieder freizusetzen. Das konzentrierte CO2 wird schließlich in einem Zwischenspeicher abgekühlt und über ein Begasungselement in den Bioreaktor geblasen. Modul 1: CO2-Collection: Bindung von CO2 aus der Luft Der modulare Aufbau der BionicCellFactory spiegelt sich auch in der Steuerungsarchitektur wider: Jedes Modul wird über eine CPX-E Steuerung von Festo gesteuert. So können die fünf Prozessschritte sowohl im Verbund als auch einzeln in Betrieb genommen und bei Produktionsänderungen einfach ausgetauscht werden. Über Dashboards an den jeweiligen Bedienpanels können die Experten einzelne Parameter der Prozessschritte überwachen und verändern. Der Datenaustausch zwischen den Modulen erfolgt über OPC UA und ermöglicht eine effiziente Regelung der gesamten BionicCellFactory. Steuerungsarchitektur
Integrierte Komponenten von Festo Über den QR-Code gelangen Sie zu unserer Produkt- auswahl für die Automatisierung von Bioreaktoren. Herzstück der BionicCellFactory ist ein 45 Meter langes Röhrensystem des Unternehmens Algoliner mit einem Fassungsvermögen von 80 Litern. In dieser transparenten, beleuchteten Photostrecke betreiben die Algenzellen ihre Photosynthese unter optimalen Wachstumsbedingungen. Sensoren messen kontinuierlich die Leitfähigkeit, den pH-Wert, die Sauerstoff- und CO2-Konzentration sowie die Temperatur. Je nach Bedarf der Algen führt das System Nährstoffe wie Kalium, Phosphor und Stickstoff zu. Ein Wärmetauscher sorgt für die richtige Temperierung. Massendurchflussregelung und innovative Piezo-Ventiltechnologie ermöglichen die exakte Dosierung der Luft. Über ein Belüftungselement werden bis zu 20 Liter pro Minute zugeführt. Die entstehenden feinen Luftbläschen sorgen für den optimalen Austausch von CO2 und O2 zwischen Algen und Umgebung. Modul 3: Cultivation: Kontrolliertes Wachstum der Biomasse durch Automatisierung Fünf sogenannte Transformation-Cubes mit individuellen Aufgaben schaffen optimale Bedingungen für die Veredelung der Algen durch Enzyme. Sie sind biologische Katalysatoren, die gezielt zugeführt werden. So unterstützen sie die schrittweise Transformation, für die keinerlei Schwermetalle benötigt werden. Um schließlich einzelne Bestandteile aus den geernteten Algen zu gewinnen, schneiden sogenannte Enzym-Scheren die Zellwände auf und gelangen so an die Inhaltsstoffe: Stärke, Proteine, Farbstoffe sowie das in unserem Fall gewünschte Algenöl. Dafür wird kaum Energie benötigt, denn der umweltschonende Prozess läuft bei milden – automatisiert geregelten – Umgebungsbedingungen von 40 Grad Celsius und einem pH-Wert von fünf ab. Das gewonnene Algenöl kann nun als Nahrungsergänzungsmittel und für die Herstellung von Kosmetika verwendet oder zu Energieträgern und Biokunststoffen weiterverarbeitet werden. Die Algenreste lassen sich als Futter- oder Düngemittel nutzen. Das Harvest-Modul ist die Schnittstelle zwischen Kultivierung und enzymatischer Transformation des biologisch gewachsenen Materials. Eine Zentrifuge sorgt für die kontinuierliche Ernte der Biomasse: Mit 10.000 Umdrehungen pro Minute werden die Algenzellen von ihrer wässrigen Umgebung getrennt und an den Rand gedrückt; das Wasser wird in den Prozess zurückgeführt. Über eine Pumpe werden die Algen schließlich zur Weiterverarbeitung an das nächste Modul geleitet. Der Zeitpunkt und die Menge der Ernte werden so geregelt, dass die Vitalität der Algen auf einem optimalen Level bleibt und für die Transformation im nächsten Schritt die passende Menge an Biomasse zur Verfügung steht. Modul 4: Harvest: Ernte der Algen mittels Zentrifuge Modul 5: Enzymatic Transformation: Gewinnung und Weiterverarbeitung der Zellbestandteile
Technische Daten – Gesamtlänge: 7 Meter – Fassungsvermögen Kultivator: 80 Liter Integrierte Komponenten zur Kultivierung von Algen: – Servomotor EMMT-AS – Drossel-Rückschlagventil VFOE – Magnetventile VZWD und VZWF – Proportional-Druckregelventil VEAB – Proportional-Durchflussregelventil VEMD – Mediengetrenntes Magnetventil VYKA – Durchflusssensor SFAH – Quantenbasierter Partikelsensor von Q.ANT – Röhrensystem von Algoliner Integrierte Komponenten zur enzymatischen Katalyse: – Schwenkantrieb DRVS – Magnetventil VUVG – Drossel-Rückschlagventil VFOE – Mediengetrenntes Magnetventil VYKB de 4/2023 Projektbeteiligte Projektinitiator: Dr. Wilfried Stoll, Geschäftsführender Gesellschafter Festo Holding GmbH Projektteam: Sebastian Schrof, Adrian Eilingsfeld, Cornelius Pflumm, Michael Jakob, Florian Zieker, Andreas Ulmer, Sandra Lichtenberger, Andreas Häckh, Charlotte Tesch, Ralf Kapfhamer, Julia Heidingsfeld, Dr. Elias Knubben, Xiaojia Yao, Micha Purucker, Alexander Müller, Isabel Lamich, Nenja Rieskamp, Vanessa Bader, Philipp Steck, Dr. Nina Gaißert, Philipp Eberl, Festo SE & Co. KG Kooperationspartner: Algoliner GmbH & Co. KG Q.ANT GmbH Festo SE & Co. KG Ruiter Straße 82 73734 Esslingen Deutschland Telefon 0711 347-0 Telefax 0711 347-21 55 cc@festo.com www.festo.com/bionik Integrierte Komponenten zur Handhabung von Gasen: – Kompaktzylinder ADN – Magnetventil VUVG – Drossel-Rückschlagventil GRxA und GRxZ – Drossel-Rückschlagventil VFOE – Proportional-Druckregelventil VPPM – Durchflusssensor SFAB – Druckluftspeicher CRVZS Komponenten zur Steuerung und Druckluftaufbereitung: – Automatisierungssystem CPX-E – Wartungsgeräte-Kombination MSB4
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