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ie Insektenfamilie der Formicidae
hat dem Menschen einiges
voraus. Mit 130 Mio. Jahren Ent-
wicklungsgeschichte sind Amei-
sen gut 128 Mio. Jahre älter als die Gat-
tung Mensch. Die Anzahl ihrer Individuen
und deren weltweite Biomasse übersteigt
die des Menschen bei Weitem. Ameisen
können ein Vielfaches des eigenen Körper-
gewichts tragen, überleben sowohl –40 °C
als auch extremes Wüstenklima. Doch das
Erstaunlichste an ihnen ist: Sie leben in
Staatengemeinschaften von bis zu 20 Mio.
Tieren auf Grundlage kollektiver, nicht in-
dividueller Intelligenz. Die Kommunikation
der Ameisen erfolgt mittels Duftstoffen,
so genannten Pheromonen. Durch ihr
Zusammenleben und -arbeiten auf Basis
kollektiver Intelligenz waren sie für die
Forscher des Bionic Learning Network von
Festo prädestiniert, um als Vorbild für bio-
nische Technologieträger zu dienen: die
BionicANTs. „ANT“ steht dabei gleicher-
maßen für das natürliche Vorbild wie für
Autonomous Networking Technologies.
Die kleinen Sechsbeiner aus den Festo
Forschungslaboren entscheiden selbst-
ständig auf Basis komplexer Regelalgo-
rithmen für kooperatives Verhalten. Ge-
schaffen für die Teamarbeit, streben sie
ohne die Einflussnahme einer zentralen
Intelligenz, wie etwa die eines Rechners,
ein gemeinsames Ziel an.
Ameisen als Vorbild der Zukunft
Vor dem Blick auf die technischen Detail-
lösungen der BionicANTs verdeutlicht ein
kurzer Ausflug in die Zukunft der Produk-
tion, was die bionischen Ameisen heute so
bedeutsam macht. Denn in einigen Jahren
werden einzelne Produktionskomponen
ten analog zum System der Ameisen
agieren und hochflexibel gemeinsam an
einem Projekt arbeiten. Hintergrund ist der
weltweite Trend hin zu stärker individuali-
sierten Produkten in der Fertigung. Kleine
Stückzahlen und eine hohe Varianten
vielfalt erfordern Technologien, die sich
intelligent an veränderte Bedingungen
anpassen. Die Komponenten der Industrie-
anlagen der Zukunft müssen in der Lage
sein, sich untereinander abzustimmen.
Aufgaben, die heute noch ein Zentralrech-
ner übernimmt, werden in Zukunft von
einem Zusammenspiel einzelner Kompo-
nenten übernommen.
Eigenständig und vernetzt agieren
Die BionicANTs zeigen, wie einzelne Ein-
heiten eigenständig auf unterschiedliche
Situationen reagieren können, sich mit-
einander abstimmen und als vernetztes
Gesamtsystem agieren. So schieben und
ziehen die künstlichen Ameisen mit
vereinten Kräften einen Gegenstand über
eine abgesteckte Fläche. Dank der intelli-
genten Arbeitsteilung befördern sie effizi-
ent Lasten, die eine einzelne Ameise nicht
bewegen kann. Wie ihre natürlichen Vor-
bilder arbeiten die BionicANTs nach klaren
Regeln zusammen. Sie kommunizieren
per Funk miteinander und stimmen ihre
3.2015
trends in automation
Impulse
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